Frage:
"Gibt es etwas, was mir 'Wahrnehmen', diese innere Arbeit, die der Erkenntnisweg
offensichtlich ist, irgendwie deutlicher macht? Eine spezielle Übung,
die mir hilft, daß ich nicht so leicht geschluckt werde vom Außen,
daß ich mir meiner selbst bewußt bleibe und mich nicht immer
wieder verliere?"
Bei-Yin: "Es gibt da
etwas, was ich als Trockenschwimmen bezeichne. Ein Beispiel: Wenn für
jemanden Wasser ein unvertrautes Element ist und der- oder diejenige schwimmen
lernen will, können die Schwimmbewegungen auf dem Trockenen erlernt
werden. Wenn diese Bewegungen beherrscht werden, ohne daß an den
Ablauf gedacht werden muß, kann die Person sich ins Wasser begeben.
Auch dann, wenn sie den Boden unter den Füßen verliert und selbst
wenn die Angst sie packt, wird sie automatisch die erlernten Bewegungen
ausführen und damit über Wasser bleiben. Dieses Trockenschwimmen
auf eine geistige Ebene verlegt, können Sie Meditation oder bewußtes
Innesein nennen. Es hat viele positive Effekte und ist gleichzeitig, neben
anderen positiven Einflüssen auf die Psyche, ein einfach auszuübendes
Training für die erforderliche Bezugnahme im Alltagsleben. Wir wollen
es gleich einmal zusammen ausprobieren. Es ist ganz einfach.
Ich nehme an, Sie sitzen alle
bequem. Eine spezielle Sitzhaltung ist nicht nötig, sitzen Sie mit
möglichst geradem Rücken, jedoch ohne sich zu verspannen. So
können Sie eine Weile sitzen bleiben. Was wir jetzt üben werden,
können Sie überall für sich allein durchführen. Vorerst
am besten an einem ruhigen Platz, an dem Sie ungestört sind. Sie können
zwei mal am Tage üben, morgens und abends jeweils 20 Minuten. Mehr
als eine halbe Stunde ist nicht nötig. Sie können dies auch während
des Tages nur für einige Sekunden tun. Zum Beispiel dann, wenn Sie
merken, daß Sie in Streß geraten sind: Atmen Sie tief ein,
schließen Sie die Augen und lassen Sie den Atem los. Das reicht schon.
Oder beim Autofahren: Sie haben es besonders eilig und geraten in einen
Stau oder kommen gerade an die Kreuzung wenn die Ampel rot wird. Sie können
nervös vor Ungeduld auf grün warten. Sie können aber auch
für einen Moment die Augen schließen... Keine Sorge, der freundliche
Autofahrer hinter Ihnen wird Sie durch ein sanftes Hupen darauf aufmerksam
machen, wenn grün kommt und Sie weiterfahren können. Wenn Sie
Schwierigkeiten haben, nachts einzuschlafen, können Sie es abends
sitzend im Bett versuchen und sich dann hinlegen, Sie werden dann umgehend
einschlafen.
Gut, schließen Sie jetzt
die Augen. - Sie tun nichts. - Sie sitzen ganz einfach da. - Sie sind aufmerksam,
aber ziellos. - Sie konzentrieren sich in keiner Weise. - Sie nehmen sich
wahr, weiter nichts. - Das heißt: Sie nehmen alles wahr, was es wahrzunehmen
gibt. Alles, was in diesem Moment in Ihr Bewußtsein tritt, - ohne
daß Sie sich dabei im geringsten anstrengen. - Sie forcieren nichts,
Sie suchen nichts. - Sie nehmen nur das wahr, was von allein in Ihren Wahrnehmungsbereich
tritt. - Das mag Ihr Körper sein: Sie nehmen wahr, wie Sie da sitzen.
- Es mag Ihr eigener Atem sein: Sie nehmen ihn wahr ohne ihn jedoch verändern
zu wollen. Sie atmen ein und lassen den Atem los... Keine Manipulationen,
Sie lassen alles so, wie es ist. Sie nehmen es lediglich wahr. - Es mögen
Geräusche sein: Ein Motorrad fährt vorbei, - lassen Sie es vorbeifahren,
nehmen Sie es nur wahr. 'Ein Hund bellt, jedoch die Karawane zieht vorbei!'
Gedanken tauchen auf, Gefühle
tauchen auf, nehmen Sie wahr, ohne sie zu beurteilen, ohne sie zu verurteilen,
Sie nehmen sie lediglich wahr und lassen sie dann los. - Versuchen Sie
nicht, irgend etwas, was in Ihr Bewußtsein tritt, beiseite zu schieben,
lassen Sie es zu ohne es zu bewerten. - Betrachten Sie es einfach: Nehmen
Sie es wahr. - Wenn Sie sich in einen Gedanken verlieren, schadet dies
nichts. - Wenn Sie wahrnehmen, daß Sie sich verloren haben, nehmen
Sie es lediglich wahr, ohne zu verurteilen. - Gedanken und Gefühle
sind Reaktionen, lassen Sie diese zu, halten Sie sie nicht fest und schieben
Sie sie auch nicht beiseite. Nehmen Sie einfach wahr und lassen Sie los.
Nehmen Sie auf diese Weise wahr... So weitermachen, jeder für sich.
- Unabhängig von jeglichen Einflüssen. - Wahrnehmen... und loslassen...
einfach nur wahrnehmen... leicht und mühelos...
Hat irgend jemand Schwierigkeiten
damit gehabt? - Gut, damit haben Sie jetzt ein wichtiges Werkzeug. Nun
ist es an Ihnen, das Mitgeteilte zu verwerten und anzuwenden. Ich wünsche
Ihnen von Herzen, daß es gelingt."
zum nächsten
Kapitel | Inhaltsangabe |