Frage: "Mein Leben lang habe ich versucht, meinen Nächsten zu lieben und im Umgang mit Menschen ruhig und freundlich zu bleiben, auch wenn es mir oft schwer fällt. Also nach Jesus Worten: 'Ich habe die andere Wange hingehalten, wenn mich jemand geschlagen hat'. Jetzt muß ich einsehen, daß ich so nicht weiterleben kann. Ich verspüre unbändigen Zorn in mir aufsteigen und bin nicht mehr gewillt, die Provokationen meiner Umgebung hinzunehmen. Ich habe ernsthafte Magenbeschwerden, die auf das jahrelange Unterdrücken meines Ärgers zurückzuführen sind. Andererseits sehe ich ein, daß meine Umwelt mich nur dann provozieren kann, wenn in mir selbst etwas darauf anspricht. Deshalb halte ich es nicht für gerechtfertigt, meine Reaktionen auf Andere abzuladen. Vielleicht deshalb, weil ich immer noch versuche, in ihnen 'den Nächsten zu lieben'. Ich bin in einem Konflikt. Deshalb versuche ich, so weit es geht, unabhängig von anderen Menschen zu sein. Ich lebe und arbeite allein und pflege keine sozialen Kontakte. Das ist auf Dauer ebensowenig zufriedenstellend. Was kann ich tun?" 

    BeiYin: "Sich zurückzuziehen kann zu Zeiten wichtig sein, ist jedoch keine Dauerlösung bei einem Konflikt mit den Mitmenschen. Warum ziehst Du Dich zurück?" 

    Kommentar: "Weil die große Mehrheit der Menschen unsensibel und ichbezogen ist. Weil die Menschen ihr Gegenüber nur insofern wahrnehmen, als es ihnen gemäß ist und wie es ihnen nützt. Weil sie ihr Gegenüber und ihre Umwelt unspezifisch dafür benutzen, sich abzureagieren." 

    BeiYin: "Mit anderen Worten: Weil sie sich in einem Spiel befinden und alle anderen als ihre Mitspieler betrachten. Wenn jemand nicht mitspielen will, wird der- oder diejenige entweder nicht zur Kenntnis genommen oder angefeindet oder es wird die Gelegenheit benutzt, um die eigene Aggression herauszulassen. Du bist auch deshalb von den Menschen enttäuscht, weil 'Liebe', so wie Du sie Dir in Deinen Vorstellungen ersehnst, nicht zu existieren scheint. Weil Deine Freundlichkeit allzu oft mit Aggression beantwortet wird. Deine Freundlichkeit ist ohne Zweifel echt und dient nicht lediglich der Anpassung. 
    Wie kommt es also, daß Du trotzdem die Menschen provozierst? Und gleichzeitig durch deren Reaktionen selbst provoziert wirst? Könnte es sein, daß die Liebe, die Du Menschen entgegenbringst, deshalb nicht ankommt und entgegengesetzte Reaktionen auslöst, weil Liebe nicht Deine Realität ist, sondern Du lediglich versuchst, Deine Vorstellung davon zu leben? 
    Das Leben, wozu die Umwelt mit den Menschen gehört, versucht Dich zu lehren. Du wirst immer wieder vor den Kopf gestoßen, damit Du reflektierst und vielleicht endlich Deine Realität erkennst. Was heißt, daß Du Deine Struktur wahrnimmst; Deine Programmierung, die aus den vielen aufgenommenen und zu eigen gemachten Einflüssen besteht, die Du im Laufe Deines Lebens empfangen hast. Von Deinen Eltern, Deinen Lehrern, der Gesellschaft, der Tradition der gesamten Menschheits- geschichte und nicht nur das, selbst die Geschichte der Urmenschen ist in Deiner Struktur enthalten. Diese Strukturen gilt es wahrzunehmen und zu akzeptieren. Das ist ein komplexer Weg, vor allen Dingen dadurch bedingt, daß das wahre Gesicht des Menschen, in all seinen Vielschichtigkeiten, zugedeckt ist mit einem trügerischen Selbstbild aus Vorstellungen und imaginären Zielsetzungen, zum Beispiel 'Liebe, Harmonie, Frieden, Fortschritt' usw. 
    Du bist mit Deinen Vorstellungen identisch. Du bist untrennbar damit verbunden. Du bist es. Aber Du bist die Vorstellung und nicht Du selbst! Das ist der Angelpunkt und die Ursache für Deine persönlichen Schwierigkeiten und ebenso die Problematik fast aller Menschen dieses Planeten. Die Menschen leben den Schein (ihre Vorstellungen) und nicht das Sein, - durch alle Ebenen, bis hin zu dem, was sie 'Gott' nennen! Die Menschheit lebt auf ein imaginäres Selbstbild zu, ein Ziel, in dem die Menschen sich verlieren und nicht sie selbst sind und nicht sich selbst erkennen. Es wäre einfach, aber sie können und wollen nicht anders, denn sie haben sich total verrannt. Wann benutzen die Menschen endlich ihren Kopf zum Wahrnehmen und Erkennen und nicht lediglich dazu, sich mit dem Inhalt zu identifizieren und ihr Ichgefühl daraus zu schöpfen!"

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