Frage: "Warum wird diese Welt so sehr von Männern bestimmt? Warum müssen wir Frauen eine zweitrangige Rolle spielen und darunter leiden? Warum hat der Kampf der Frauen um Gleichberechtigung nur einen schleppenden Erfolg?" 

    BeiYin: "Du sagst es: Männer und Frauen spielen eine 'Rolle'. Sie spielen das, womit sie identifiziert sind. Das mag die Rolle eines Macho, eines Erfolgreichen, eines Eroberers, eines treuen Ehemanns und Vaters sein, oder die eines Weichlings, eines Versagers; oder einer Mischung aus allem, aber immer ist es ein 'Mannsbild', wie es sich seit historischen Zeiten entwickelt hat, bzw. wie es Männer und Frauen im Zusammenspiel haben entstehen lassen. Oder es mag die Rolle der unterdrückten Frau sein, der verführerischen, der männerfressenden, der sich anpassenden, oder die Mutterrolle, oder die Rolle der kämpfenden emanzipierten Feministin oder eine Mischung der verschiedenen 'Weibsbilder'. Ganz gleich, welche Rolle es ist, diese gibt Identität und damit Ichgefühl, bleibt jedoch limitiert auf die Persönlichkeit und deren individuelle Struktur. Das vorrangige Ziel jedes Individuums ist es, die Persönlichkeit zu entwickeln, zu differenzieren, zu beweisen, zu stärken usw. In diesem Rollenspiel sind alle miteinander Spielpartner, Männer mit Frauen, Männer mit Männern, Frauen mit Frauen. Die von jedem Individuum gewählte entsprechend determinierte Rolle gibt Persönlichkeit und Individualität. Andersgeartete Bilder bzw. Rollen werden abgelehnt oder bekämpft. Eine Veränderung im Gesamtbewußtsein der Menschheit tritt dadurch nicht ein, eher das Gegenteil, da es zu einer allgemeinen Verhärtung der Positionen und Erstarrung der Persönlichkeiten kommt. 
    In diesem Rollenspiel, welches vom kämpferischen Spiel bis zum blutigen Kampf jeder gegen jeden reicht, geht es vor allen Dingen um die Behauptung der eigenen Position. Erfolg oder Mißerfolg, verbunden mit Glücksgefühlen oder Leiden, dienen gleicherweise zur Bestätigung des Ichgefühls. Im Rollenspiel Männer - Frauen bestehen seit historischen Zeiten fest eingefahrene Regeln und abgesteckte Bereiche, diese grundlegend in Richtung Gleichberechtigung zu verändern, ist durch Kampfmaßnahmen nicht möglich. Eine Veränderung kann nicht erfolgen, weil Kampf nur die Positionen bestätigt und verstärkt.
    Also wie? Etwas Grundlegendes kann nur von der Basis aus erfolgen. Es bedingt einen Prozeß, der zur individuellen Ausweitung des Bewußtseins führt. Was heißt das? Es gilt, das Rollenspiel zu durchschauen und sich darauf zu besinnen, daß jedes Individuum an erster Stelle Mensch ist, also ein Lebewesen mit der Anlage zu einem reflektierenden Bewußtsein. Menschen aufgrund ihrer Körpermerkmale, ihrer Haut- oder Haarfarbe, ihrer sozialen Stellung, ihres Geschlechts, ihres Alters, ihrer Weltanschauung, ihres Intelligenzquotienten oder sonstiger Merkmale in Gruppen einzuteilen, mag zwar nicht unbedingt diskriminierend sein, entspricht jedoch der Gewohnheit der Menschen dieses Planeten, alles zu unterteilen. Es werden die differenziertesten Trennungen und Abgrenzungen vorgenommen, womit die Voraus- setzungen für die Rollenverteilung geschaffen werden und damit ebenfalls für Diskriminierung und Rassismus. 
    Menschen in Frauen und Männer zu unterteilen, lediglich aufgrund von Körpermerkmalen, und dann diese Einteilung für ein festgelegtes Werte- und Machtspiel zu benutzen, zeugt von traditioneller Ignoranz. Über die spezifischen Körpermerkmale hinaus ist 'Menschsein' nicht einseitig weiblich oder männlich, sondern beide Anteile sind in mehr oder weniger ausgeglichenen Anteilen im Individuum vorhanden. Mental- und Emotionalkörper sind von sich aus weder weiblich noch männlich, diese reagieren lediglich entsprechend der Strukturierung des Individuums. Dabei sind die Merkmale des physischen Körpers von untergeordneter Bedeutung. Es ist nicht allzu selten, daß ein Individuum mit einem männlichen Körper sich als Frau fühlt und umgekehrt, das heißt, daß der- oder diejenige mit einer determinierten Rolle identifiziert ist. Durch einige chirurgische Eingriffe kann, auf Wunsch des Betreffenden, dessen Körper in das andere Geschlecht verändert werden. Manchmal verstärkt und bestätigt dies dann sein Ichgefühl, manchmal enttäuschenderweise nicht. Den Körper wieder zurück in das andere Geschlecht zu verwandeln, ist meist nicht möglich, was dann erheblichen Kummer bereitet. Leichter haben es die, die lediglich ihre Kleider für ihr Rollenspiel wechseln... Was wäre die Konsequenz daraus und eine mögliche alternative Haltung?" 

    Kommentar: "Sich seines persönlichen Rollenspiels bewußt zu werden, um damit unabhängiger zu werden und auch weniger verletzlich, mit andern Worten: souverän zu werden. Ich werde mich auf mein 'Menschsein' besinnen. Wenn mir dies gelingt, kann ich auf einen Kampf um Gleichberechtigung mit dem Mann verzichten, denn ich erkenne, daß der Mann, so lange er sich in seiner limitierten Rolle bewegt, selbst nicht souverän ist. - Mir fällt es wie Schuppen von den Augen! Ich habe das Gefühl, daß damit der bisherige Kampf für mich zu Ende ist. Ich sehe, daß ich es gar nicht nötig habe, mich den Männern gegenüber zu behaupten, da deren Haltung zum größten Teil nicht aus einer echten Position herrührt, sondern lediglich aus der Identifikation mit deren Rollenspiel, also um ein traditionell übermäßig aufgeblähtes Selbstgefühl. Ich werde mich künftig weigern, das allgemeine Rollenspiel mitzuspielen, das heißt, ich werde aufmerken, wenn mein Gegenüber versucht, mich in sein Spiel hineinzuziehen. Ich vermute, das wird Konsequenzen haben, nicht nur in Bezug auf meine Haltung den Männern gegenüber, sondern ebenso in Bezug auf meinen Beruf. Jedenfalls fühle ich, daß ich ein unnötiges Gewicht los bin. Ich werde meine Energie künftig kreativer einzusetzen wissen." 

    BeiYin: "Da diese neue Phase, in welche Du eintrittst, ein sich nähern zu Dir selbst ist, wird sich damit auch gleichzeitig Dein Umfeld verändern. Es mag sein, daß Du Dich eine Weile als Einzelgängerin empfinden wirst, vielleicht sogar wie auf 'verlorenem Posten'. Denn Du wirst sehen, daß die meisten Menschen an ihrem Rollenspiel mit allen Mitteln festhalten und selbst die klarsten Information, die ihnen einen Weg aus der Enge und dem Leid hinausweisen könnten, in den Wind schlagen. Abgesehen davon wirst Du neue Perspektiven wahrnehmen, es werden sich neue Horizonte öffnen, das wird Dich reichlich entschädigen. Bisher warst Du auf ein Ziel fixiert und konntest deshalb nur das wahrnehmen, was damit zu tun hatte. Jetzt ist Dein Blickfeld erweitert, bald wirst Du einen Rundumblick von 360° haben! Deine eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse wirst Du künftig den Frauen als 'Geheimtip' weitergeben können, von der Männerwelt weitgehend unbeachtet und teilweise belächelt. Die nicht merken und zur Kenntnis nehmen wollen, daß ihre aufgeblähte Position bereits unterhöhlt ist und ins Wanken gerät. Wenn Ihr begreift, daß Ihr den Männern nichts nachmachen, das heißt, nicht mit ihnen gleichziehen müßt um Gleich- berechtigung zu erlangen, wenn Ihr erkennt, daß Eure Stärke nicht im Kampf, im Erfolgsstreben und der Selbstbehauptung liegt, sondern in der sensiblen, umfassenderen Betrachtungsweise... dann habt Ihr einen großen Schritt zur Souveränität hin getan. 
    Hier liegt die Chanse für die Frauen: wenn Ihr Eure weibliche Sensibilität an diesem Punkt kreativ einsetzt, werdet Ihr die Männer in nicht allzuferner Zukunft überrunden. Diese werden versuchen Euch zu folgen. Dabei werden sie herausfinden, daß sie mit ihrem üblichen Macho-Kampfgebahren scheitern. Sie werden ihre eigenen weiblichen Anteile anerkennen und einsetzen müssen und damit im Zuge dessen zur Gleichberechtigung bringen, - und dadurch ebenso die der Position der Frau im 'Außen'."

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